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Hans Günter
Aurich

geboren 1932
in Meuselwitz

Lebenslauf

14.12.1932 Geboren in Meuselwitz (Thüringen).
1950 Abitur an der damaligen Friedrich-Engels-Oberschule in Meuselwitz.
1950 - 1952 Studium der Pädagogik mit den Fächern Chemie und Biologie an der Universität Leipzig nach Ablehnung der Bewerbung zum Chemiestudium.
26.4.1952 Verhaftung in Meuselwitz – "eigentlich eine Entführung" durch die sowjetische Besatzungsmacht. Anschließend Untersuchungshaft im KGB-Gefängnis in der Leistikowstraße 1, Potsdam.
16.7.1952 Prozess gegen sieben Personen vor einem Sowjetischen Militärtribunal. Verurteilung zu 25 Jahren Lagerhaft wegen "Vorbereitung zum aktiven Widerstand", "Spionage", "Vorbereitung terroristischer Handlungen" sowie "antisowjetischer Propaganda" nach den Artikeln 19-58-2, 58-6 Abs. 1, 19-58-8 und 58-10 Abs. 2 des StGB der RSFSR.
September 1952 Transport über Brest-Litowsk, Gomel und Moskau nach Workuta. Zwangsarbeit im Kohlenschacht 4.
Januar 1955 Weitertransport nach Inta (bei Workuta).
März 1955 Transport nach Suchobeswodnoje.
9.10.1955 Rücktransport nach Deutschland.
15.10.1955 Ankunft im Entlassungslager Fürstenwalde/Spree (DDR) in der Leistikowstraße 1, Potsdam.
16.10.1955 Ankunft im Aufnahmelager Friedland (Niedersachsen/BRD).
4.11.1955 Immatrikulation im Fach Chemie an der Universität Marburg.
1955 - 1962 Studium der Chemie.
1962 Promotion.
1967 Habilitation in Organischer Chemie.
1970 Professor für Organische Chemie.
1996 Rehabilitierung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation.
  Prof. em. Dr. Hans Günter Aurich ist verheiratet, hat eine Tochter und lebt in Marburg.

Biografisches

"Nach Verurteilung zu 25 Jahren Lagerhaft durch ein Sowjetisches Militärgericht, u.a. wegen angeblicher Spionage und antisowjetischer Propaganda, landete ich Ende Oktober 1952 in Workuta, im zum Kohlenschacht 4 gehörenden Lager. Das bedeutete täglich mehrere Kilometer Marsch in einer streng bewachten Kolonne von Gefangenen vom Lager zum Schacht und nach 10 bis 12 Stunden wieder zurück. Ein qualvoller Weg durch die eisige Polarnacht mit extremen Kältegraden und oft gewaltigen Schneestürmen. Dazwischen lag harte Arbeit unter Tage im 80 cm hohen schräg abfallenden Flöz (20-30 Grad Gefälle) zwischen den Stollen in 3 Metern über und 90 Metern unter Meeresniveau. Man konnte sich nur auf den Knien kriechend bewegen. Wir, mein Kamerad und ich, mussten die zum Abstützen benötigten 'Stempel' (auf 80 cm zugeschnittene Stücke von Baumstämmen) kriechend nach oben oder unten transportieren. Als Lichtquelle diente ein an den zerlumpten Klamotten befestigter Akkumulator.

Das Schlimmste aber war die Hoffnungslosigkeit unserer Situation. Einen dritten Weltkrieg, damals nicht unwahrscheinlich, würden wir Gefangenen wohl kaum überleben. Vielleicht würde ich nicht die ganzen 25 Jahre absitzen, aber doch viel zu viele Jahre. Wir Deutschen – eine Minderheit unter Russen und Angehörigen anderer Nationen – hatten keinen Briefkontakt zur Heimat. Für meine Angehörigen war ich über Nacht spurlos verschwunden und verschollen geblieben. Wahrscheinlich würde ich sie nie wiedersehen. Das Leben konnte ja mit 20 Jahren noch nicht zu Ende sein. Und so glaubte ich, wie die meisten meiner Kameraden, an ein Wunder. Das schien sich mit Stalins Tod am 5. März 1953 anzudeuten. Manches wurde danach etwas leichter. Doch es gab immer wieder Rückschläge und Zweifel, bis ich im Oktober 1955 nach Deutschland zurückkehrte und in die Freiheit, in die Bundesrepublik gelangte."

Privatarchiv Hans Günter Aurich

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