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Biografisches

"Am nächsten Tag, es war der 13. November 1952, holte man mich vormittags ab und führte mich in einen kleinen Saal. Dort saßen ein Staatsanwalt, ein Richter und zwei Beisitzer - alles hochrangige Offiziere.

Der Staatsanwalt verlas die Anklageschrift: Spionage, antisowjetische Hetze und versuchte Diversion. Er sprach mangelhaftes Deutsch. Nach seiner Verlesung wollte ich nun etwas zu meiner Verteidigung vorbringen, doch ich wurde abgewiesen. Der Richter sprach schon das Urteil: 'Für Spionage 15 Jahre, für antisowjetische Hetze 10 Jahre und für versuchte Diversion 20 Jahre Zwangsarbeitslager.' 45 Jahre - diese wurden auf 25 Jahre herabgesetzt, doch wenn ich mich in dieser Zeit nicht gebessert haben würde, kämen die 20 wieder dazu.

Nach der Urteilsverkündigung kam der Staatsanwalt auf mich zu und klopfte mir auf die Schulter mit den Worten 'Nehmen Sie es nicht so tragisch!'

In der Gemeinschaftszelle angekommen, begrüßten mich fünf Mithäftlinge. 'Na, wie viel Jahre hast du bekommen?' Ich brach in Tränen aus: "25, ein halbes Leben." Alle trösteten mich. Wäre ich in Einzelhaft gewesen, hätte ich versucht, meinem Leben ein Ende zu setzen. Es waren zwei Bauern dabei, aus dem Kreis Greiz, auch zu 25 Jahren verurteilt wegen antisowjetischer Gesinnung und weil sie nicht in die LPG eintreten wollten. Es war schwer zu verstehen, dass Menschen mit solchen Unrechtsurteilten vernichtet wurden.

Das Weihnachtsfest rückte näher und die Stimmung wurde immer getrübter. Jeder dachte an die Lieben zu Hause."

Rehbein, Günther: GULAG und GENOSSEN. Aufzeichnungen eines Überlebenden, 4. Aufl. Plauen (Neue Literatur) 2010, S. 21.



"Möchte Sie hiermit um eine klare und deutliche Antwort bitten. Mein Mann Günther Rehbein ist seit dem 6. August 1952 von der Arbeit aus verhaftet worden. Bis heute ist mir jede Nachricht verheimlicht worden. Ich bin Mutter von zwei kleinen Kindern im Alter von einem Jahr und sieben Monaten und eines von fünf Monaten. (...) Ich möchte Sie nun fragen, warum ich keine Antwort von meinem Mann bekomme. Schließlich ist er kein Schwerverbrecher und ich könnte mir bis heute nicht denken, was er gemacht haben soll. Ich wäre schon beruhigt, wenn ich wenigstens wüsste, wo er wäre."

Auszug aus dem Bittschreiben vom 23. Juni 1953 der Ehefrau Helga Rehbein an die Staatssicherheit.



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