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Biografisches

"Nach Verurteilung zu 25 Jahren Lagerhaft durch ein Sowjetisches Militärgericht, u.a. wegen angeblicher Spionage und antisowjetischer Propaganda, landete ich Ende Oktober 1952 in Workuta, im zum Kohlenschacht 4 gehörenden Lager. Das bedeutete täglich mehrere Kilometer Marsch in einer streng bewachten Kolonne von Gefangenen vom Lager zum Schacht und nach 10 bis 12 Stunden wieder zurück. Ein qualvoller Weg durch die eisige Polarnacht mit extremen Kältegraden und oft gewaltigen Schneestürmen. Dazwischen lag harte Arbeit unter Tage im 80 cm hohen schräg abfallenden Flöz (20-30 Grad Gefälle) zwischen den Stollen in 3 Metern über und 90 Metern unter Meeresniveau. Man konnte sich nur auf den Knien kriechend bewegen. Wir, mein Kamerad und ich, mussten die zum Abstützen benötigten 'Stempel' (auf 80 cm zugeschnittene Stücke von Baumstämmen) kriechend nach oben oder unten transportieren. Als Lichtquelle diente ein an den zerlumpten Klamotten befestigter Akkumulator.

Das Schlimmste aber war die Hoffnungslosigkeit unserer Situation. Einen dritten Weltkrieg, damals nicht unwahrscheinlich, würden wir Gefangenen wohl kaum überleben. Vielleicht würde ich nicht die ganzen 25 Jahre absitzen, aber doch viel zu viele Jahre. Wir Deutschen – eine Minderheit unter Russen und Angehörigen anderer Nationen – hatten keinen Briefkontakt zur Heimat. Für meine Angehörigen war ich über Nacht spurlos verschwunden und verschollen geblieben. Wahrscheinlich würde ich sie nie wiedersehen. Das Leben konnte ja mit 20 Jahren noch nicht zu Ende sein. Und so glaubte ich, wie die meisten meiner Kameraden, an ein Wunder. Das schien sich mit Stalins Tod am 5. März 1953 anzudeuten. Manches wurde danach etwas leichter. Doch es gab immer wieder Rückschläge und Zweifel, bis ich im Oktober 1955 nach Deutschland zurückkehrte und in die Freiheit, in die Bundesrepublik gelangte."

Privatarchiv Hans Günter Aurich

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