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Joachim
Giesicke

geboren 1927
in Wuppertal-Barmen

verstorben 2012
in Berlin

Lebenslauf

15.11.1927 Geboren in Wuppertal-Barmen.
1932 Übersiedlung nach Berlin-Frohnau.
25.6.1945 Verhaftung als 17-jähriger Schüler in Berlin-Frohnau durch die sowjetische Militäradministration während eines Besuchs bei einem Schulfreund. Dieser wird zwecks einer angeblich benötigten Zeugenaussage von einem Unbekannten gesucht, beide Schüler werden mitgenommen. Anschließend Verhöre im GPU-Keller in der Neuen Schönholzer Straße 34-36 in Berlin-Pankow durch die russische Geheimpolizei.
29.8.1945 Verurteilung durch das Sowjetische Militärtribunal der Garnison von Berlin in der NKWD-Haftanstalt Berlin-Hohenschönhausen wegen Zugehörigkeit zur einer konterrevolutionären Organisation (Hitlerjugend) nach den Artikeln 58-8, 58-9 und 58-11 des StGB der RSFSR zu 10 Jahren Freiheitsentzug in einem Besserungs- und Arbeitslager.
31.8.1945 Abtransport nach Berlin-Lichtenberg, Magdalenenstraße 8.
2.9.1945 Transport in das Gefängnis Frankfurt/Oder.
4.9.1945 Verschleppung im Güterwaggon über Brest-Litowsk und Moskau nach Inta bei Workuta.
21.10.1945 Ankunft in Inta. Zwangsarbeit u.a. im Kohlenschacht und im Gleisbau.
24.5.1952 Schwerste Verletzungen bei Sprengarbeiten im Kohlenschacht.
17.6.1953 Transport nach Tapiau (Ostpreußen).
23.12.1953 Weitertransport nach Fürstenwalde/Spree (DDR).
27.12.1953 Entlassung, Rückkehr nach West-Berlin. Bedingt durch das Schweigelager, wissen die Eltern nicht, dass ihr Sohn noch lebt. Die Mutter war ein halbes Jahr zuvor verstorben.
1.5.1954 Beginn als Krankenkassenlehrling. Kein Zugang zum Jura-Studium, da das Notabitur nicht länger ausreichte.
1956 - 1987 Sozialsicherungsfachangestellter bei der Barmer Ersatzkasse, zuletzt Bezirksgeschäftsführer.
1958 Heirat, aus der Ehe gehen drei Kinder hervor.
2000 Rehabilitierung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation.
12.8.2012 Verstorben in Berlin.

Biografisches

"Wir hörten russisches Stimmengewirr, als unsere Waggontür beiseite geschoben wurde. Draußen sahen wir Offiziere und Soldaten in dicken Pelzmänteln und Pelzmützen. Einige stiegen in das Innere unseres Waggons und bedeuteten uns auszusteigen. Wir waren von 60 Häftlingen in Brest-Litowsk noch 28 Überlebende; wir waren der Todeswaggon und wurden als erste ausgeladen. Es herrschte eine klirrende Kälte, nach meiner Erinnerung war es zirka minus 40 °C. Am späten Nachmittag des 21. Oktober 1945 endete unsere Irrfahrt nach sechs Wochen in INTA/WORKUTA am nördlichen Polarkreis; die gesamte Fahrtstrecke betrug zirka 5.000 Kilometer. Am azurblauen Himmel waren keine Wolken; die glutrote Sonne berührte knapp den Horizont und ergoss ihre Strahlen über die Weite der schneebedeckten Tundra."

Giesicke, Joachim: Zum Schweigen verurteilt. Tatsachenbericht eines deutschen Strafgefangenen in der Sowjetunion, 4. Aufl. Berlin (Selbstverlag) 2012, S. 51.

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