workuta.de

Manfred
Buss

geboren 1933
in Strehlen

Lebenslauf

9.3.1933 Geboren in Strehlen (Westprignitz).
1952 Abitur am Gymnasium in Perleberg (Mark Brandenburg).
1.7.1952 Verhaftung in der Nähe des Flugplatzes Parchim.
Ende Juli 1952 Verurteilung in einem Schnellverfahren nach Artikel 58 des StGB der RSFSR wegen "Spionage" zu 20 Jahren Arbeitslager.
September 1952 Transport von Potsdam über Gomel und Moskau nach Workuta.
13.10.1952 Ankunft in Workuta. Zwangsarbeit unter Tage
(Kohlenschacht 4 / Lager 15).
März 1955 Weitertransport zur Zwangsarbeit in Potma.
5.10.1955 Entlassung nach Strehlen (DDR). Der Vater holt ihn von Perleberg mit dem Auto ab. Seine Ankunft hatte sich herumgesprochen durch eine Radioansage im West-Rundfunk. Ein Studium in der DDR bleibt ihm jedoch verwehrt.
Oktober 1955 Flucht nach West-Berlin.
1956 - 1958 Studium der Veterinärmedizin in West-Berlin. Wegen der Überführung von Grund und Boden in eine LPG flohen die Eltern 1958 über West-Berlin in die Bundesrepublik.
1958 - 1962 Staatsexamen in Gießen.
1962 - 2012 Praktizierender Tierarzt.
  Manfred Buss hat eine Rehabilitierung nicht beantragt.
  Manfred Buss ist verheiratet, hat drei Söhne und lebt bei Heilbronn.

Biografisches

"Nach der Verurteilung begann eine Irrfahrt in geschlossenen Waggons über Gomel (Entfernung aller Körperhaare) und Moskau (etwas längerer Aufenthalt) nach Workuta. Ich kam ins Lager 15, Schacht 4. Es war schon ziemlich kalt, wir bekamen die sog. Winterkleidung verpasst mit Schapka (russische Kopfbedeckung) und Filzstiefeln. Am 2. Tag Einfahrt in den Schacht auf minus 200 m, Flöz nur 60-80 cm hoch, Kohleschaufeln nach Sprengung auf den sog. Ristak. Nach 8 Stunden Abfahrt verdreckt in den Waschraum, mehr oder weniger warmes Wasser und ein Stück Seife. Anziehen der feuchten Straßenkleidung und Abmarsch ins 2-3 km entfernte Lager. Jeweils Zählappell unterschiedlicher Dauer, kam auf den Posten an, ob er das Einmaleins mit 2, 3 und 5 besser konnte und auf seiner Holztafel exakt abstrich. Nach einigen Wochen konnte ich durch Mithilfe eines Volksdeutschen Brigadiers in eine sog. Himmelfahrtsbrigade wechseln – Rausnehmen der Abstempelung aus den höheren Flözen (1,80-3m). Mein Freund und ich betrachteten diese Arbeit als Sprungbrett, um danach leichtere Arbeit zu bekommen. Ich sagte nach ca. 2 Monaten, an diese Arbeitsstelle kehre ich nicht zurück – das bedeutete Karzer bei 300g Brot und Wasser, bekleidet nur mit Unterwäsche. Nach zwei Tagen erklärte ich dem Wärter: 'Wenn Sie mich nicht rauslassen, gehe ich nicht mehr zur Arbeit.' Aufgrund des oben beschriebenen Himmelfahrtskommandos – wozu ein Häftling sich normalerweise niemals freiwillig melden würde – schien man wohl der Meinung zu sein, der meint es wirklich so. Ich konnte erreichen, unter Tage in die Ladestation für Batterien zu kommen und blieb dort bis zur Abreise März 1955 nach Potma.

Das Schlimmste waren für mich die ersten 1 ½ Jahre: im Winter die große Kälte (-30°C bis -45 °C), der Schneesturm (Purga), wo man die Hand vor Augen kaum sah und sich von der Baracke zum Esssaal an einem Seil langhangelte. 1954 hatte man sich an die Kälte angepasst. Ab Ende 1953 bekamen wir, zuerst vereinzelt durch das Rote Kreuz, dann auch von Angehörigen, Pakete, die das Leben sehr erleichterten. Vorher konnten wir Postkarten an Angehörige schicken (zensiert). Da nahmen wir an, dass jetzt ein Verschwinden von uns nicht mehr möglich war, und wir hofften auf baldige Heimkehr. Der Tod Stalins im März 1953 hatte die Erleichterungen gebracht, der 17. Juni 1953 brachte nochmals einen Rückschritt. Transporte wurden eingestellt. Adenauer mit seinen Begleitern im September 1955 in Moskau erreichte die Zusagen von der Führung der SU, Kriegsgefangene und andere [zivilinternierte] Personen freizulassen. Mein Transport verließ Anfang Oktober das Lager Potma und innerhalb weniger Tage war ich zu Hause."

Privatarchiv Manfred Buss

workuta.de