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Helmut
Tisch

geboren 1931
in Knau

verstorben 2019
in Quickborn

Lebenslauf

4.6.1931 Geboren in Knau (Kreis Altenburg, Thüringen).
  Besuch der Volksschule, der damaligen Hauptschule und der Oberschule in Altenburg und Meuselwitz, anschließend Dienst bei der kasernierten Volkspolizei. Studium an der Arbeiter- und Bauernfakultät in Leipzig.
26.4.1952 Verhaftung in Leipzig.
16.7.1952 Verurteilung durch ein Sowjetisches Militärtribunal zusammen mit sechs weiteren Personen. Vier der Mitangeklagten werden zum Tode verurteilt: Heinz Alwin Baumbach (geb. 1926), Heinz Eisfeld (geb. 1931) und Helmut Paichert (geb. 1933) werden am 23.10.1952 in Moskau hingerichtet, Ernst-Friedrich Wirth (geb. 1932) wird später zu 20 Jahren Freiheitsentzug begnadigt. Helmut Tisch und zwei andere werden wegen angeblichen "Landesverrats" und "Spionage" zu 25 Jahren Arbeitslager nach den Artikeln 58-2, 58-6 Abs. 1 und 58-8 des StGB der RSFSR verurteilt. Anschließend Haft im KGB-Gefängnis Leistikowstraße in Potsdam.
Oktober 1952 Abtransport nach Workuta. Kohleförderung, Untertage (Streckenvortrieb) im Schacht 7.
11.12.1955 Haftentlassung über die Entlassungslager Fürstenwalde/Spree (DDR) und Friedland (Niedersachsen/BRD) nach Hamburg.
  Anschließend: Elektromechanikerlehre, Bau- und Konstruktion von elektrischen Schaltanlagen, parallel dazu Besuch der technischen Abendfachschule der Ingenieursschule in Hamburg. Anschließend technischer Angestellter einer Maschinenbaufirma.
1992 Ruhestand.
1997 Rehabilitierung durch die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation.
30.1.2019 Verstorben in Quickborn. Helmut Tisch hinterlässt seine Ehefrau und zwei Kinder.

Biografisches

"Nach meiner Verhaftung am 26. April 1952 und Einlieferung in das KGB-Gefängnis in Potsdam, Leistikowstraße 1, war ich zunächst schockiert und dachte über den Grund für meine Verhaftung nach. Ich war mir keiner Schuld bewusst, etwas Ungesetzliches getan zu haben. Gewiss, im Kreise von Schulfreunden haben wir über die immer diktatorischer werdenden Unterdrückungsmaßnahmen der DDR-Regierung diskutiert und auch, dass man dagegen etwas tun müsse, wie etwa Flugblätter verteilen oder Hauswände mit einem 'F' für 'Freiheit' versehen. Die letzte derartige Diskussion fand aber im Frühsommer 1949 statt, lag also fast 3 Jahre zurück, ohne dass irgendeine Aktion vorbereitet worden war oder stattgefunden hatte. Strafbare Handlungen lagen also nicht vor - dachte ich, aber nicht das KGB.

Während der folgenden, meist nächtlichen Verhöre wurden mir immer wieder Sabotage, Spionage und Gruppenbildung vorgeworfen, verbunden mit Drohungen und Einschüchterungen. Schnell begann ich zu begreifen, in welcher völlig rechtlosen Situation ich mich da befand. Rechtsbeihilfe oder Verbindung nach draußen oder zu Angehörigen gab es nicht. Verhöroffiziere ließen mitunter die Bemerkung fallen, dass man ihnen gegenüber völlig rechtlos sei.

Das Gefühl der Ohnmacht gegenüber den Verhältnissen, in die man geraten war, sowie der ständige Schlafentzug durch die nächtlichen Verhöre führten allmählich zu einer gewissen Gleichgültigkeit, so dass man z.B. Verhörprotokolle in Russisch ohne Übersetzung oder Nachfrage unterschrieb - man konnte ohnehin nichts ändern - und hoffte nur, dass die Verhöre und die Zeit im Gefängnis bald vorüber ist. Das zu erwartende Lagerleben konnte nicht schlimmer sein."

Privatarchiv Helmut Tisch

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