Workuta.de

Biografisches

"Ich war also bei der Stasi gelandet. Da die DDR seit 1949 ein souveräner Staat war, überraschte es mich völlig, dass ich als DDR-Bürger nach drei Tagen dem sowjetischen Geheimdienst (Oktober 1950) übergeben wurde. Ich wollte in der DDR die politischen Verhältnisse verändern und das System demokratischer gestalten. Jetzt saß ich plötzlich im Keller des Heidehofs in der Bautzner Straße in Dresden beim NKWD und musste mich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, Antisowjet-Hetze betrieben zu haben.

In der Retrospektive ist es mir immer wieder unverständlich, wie man als zivilisierter Mensch ein Untersuchungsgefängnis, wie das im Heidehof, überstehen kann. Circa fünf Monate lang vegetierte ich in einer Kellerzelle ohne Tageslicht. Fünf Monate lang konnten wir uns nicht richtig waschen, nicht duschen oder rasieren. Haare wurden uns nicht geschnitten, die Kleider zu wechseln war nicht möglich, auch die Unterwäsche nicht. Frauen bekamen während ihrer Periode keine Hilfsmittel. Seine Notdurft machte man in Gegenwart von circa drei bis vier Zellengenossen in einen Eimer. Papier gab es nicht. Der Eimer wurde einmal pro Tag geleert. Legionen von Flöhen piesackten einen Tag und Nacht.

Unter diesen Bedingungen verlor man bald jegliche Würde."

Blecher, Jens / Wiemers, Gerald (Hg.): Studentischer Widerstand an den mitteldeutschen Universitäten 1945 bis 1955. Von der Universität in den GULAG. Studentenschicksale in sowjetischen Straflagern 1945 bis 1955,
3. Aufl. Leipzig (Universitätsverlag) 2010, S. 250.

workuta.de

Drucken

schließen