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Biografisches

Workuta-Gedicht, verfasst im Gulag


6. Weihnacht

Wo ist die Weihnacht, die ich 'heilig' nannte,
die Nacht der Sammlung, das Gespräch mit Gott,
die mich im warmen Kerzenschimmer bannte
und "Frieden" rief und "Glück!" – nun ist sie tot!

Mir ward sie weih’los, nur mit Fluch beladen,
der schäumend über mir zusammenschlägt,
und mich hier lässt in Schmach und Unrat baden –
schwer liegt er auf mir, schwarz und unbewegt …

Verstoßen aus dem trauten Kreis der Lieben,
entwunden allem Gutem, allem Halt,
bin ich auch heute in die Nacht getrieben
in Höllengruft und teuflischer Gewalt.

Mit Gott zu reden? Hab‘ ich nicht sechs Jahre
tags, nachts um ihn gekämpft, gezürnt, gefleht?
Längst liegt mein Glaube auf der Leichenbahre:
War je er mein, ich sein? Nun ist’s zu spät!

Das Lied vom Menschenglück und Wohlgefallen
klingt aus der Welt zu mir so schwach, so matt …
Und gab’s mir früher noch ein Fäusteballen,
wenn ich der Sänger dachte, freudensatt,

ist heut in mir nur abgeklärte Stille.
Erinn‘rungshauch nur blieb von heil’ger Nacht.
Nichts rührt die Seele … Gott, es war dein Wille –
Du selbst entgabst mich damals deiner Macht!

Privatarchiv Ulrich Büttner

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