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Biografisches

"Seit zwei Tagen quält sich unser Transport weiter in Richtung Norden. Die klirrende Kälte ist es auch, die uns von unserer Läusejagd abhält. Unsere Wachmannschaft lässt sich kaum noch blicken, die früheren Zählappelle werden in den letzten Tagen gar nicht mehr durchgeführt. An Verpflegung ist Trockenbrot das einzige, was uns bei gelegentlichen Stopps in den Waggon gereicht wird. Der dürftige Bodensatz unseres Wasserfasses ist schon seit einigen Tagen gefroren. Es scheint den Teilnehmern der 1. Frankfurter Etappe wohl bestimmt zu sein, diese Todesfahrt in die Eiswüste nicht zu überleben. Wir machen uns jetzt keine Illusionen mehr, denn wir alle wissen, dass wir unter den gegebenen Umständen vielleicht noch 48, höchstens 72 Stunden zu leben haben. Als unser Zug am Abend des 21. Oktober 1945 zum Stehen kommt, ahnen wir noch nicht, dass wir das Ziel unserer Reise (GULag/Inta bei Workuta) erreicht haben."

"Unmittelbar nach meiner Rückkehr nach Deutschland – also in den ersten Januartagen 1954 – wurde ich durch Zufall Ohrenzeuge eines Gesprächs, das Mama mit unserer Nachbarin hatte: 'Wissen Sie, Frau Rünger, ich habe festgestellt, unser Werner hat in Russland das Lachen verloren.'

3.153 Tage und Nächte in Unfreiheit zu verbringen, ist sehr bitter und hart; aber sein Lachen zu verlieren ist wohl die schlimmste Strafe, die einen Menschen treffen kann. Härter als 15 Jahre Arbeits-und Erziehungslager. Und deshalb fällt es mir auch heute noch immer schwer zu lachen."

Höpfner, Werner: Glück gehabt – trotz allem. Was man in über 80 Jahren als Teil einer verratenen Generation in sowjetischen Schweigelagern und anderswo erleben kann. Eine Autobiografie, Berlin (Selbstverlag) 2013.
S. 75f. u. S. 236.

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